Aktuelles

In regelmäßigen Abständen präsentieren wir Entscheidungen aus der Arbeitsgerichtsbarkeit, die für die tägliche Praxis von besonderer Bedeutung sind.

Änderung der Rechtsprechung zu den Überstundenzuschlägen für Teilzeitbeschäftigte

Das BAG hat in einem aktuellen Urteil (BAG vom 5. Dezember 2024 – 8 AZR 370/20) für Teilzeitkräfte die Gewährung von Überstunden zuerkannt. Diese Theamtik wird seit Jahren in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Durch das Urteil wird deutlich, dass die Diskriminierung von Teilzeitkräften sukzessive durch die Rechtsprechung abgebaut wird.

Keine Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte

Das BAG hat sich erneut mit dem Anspruch auf Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte beschäftigt. Entscheidungsgegenstand war die Vorschrift des § 7 Abs. 6 und Abs. 7 TVöD-K.

Danach ist die vorgenommene Unterscheidung zwischen Vollzeit- und Teilzeitkräften rechtswirksam und stellt insoweit keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten dar. Für beide Beschäftigtengruppen gelten zwei unterschiedliche Regelungssysteme für das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden. Für alle Teilzeitbeschäftigten sowohl innerhalb wie auch außerhalb von Schicht- und Wechselschichtarbeit regelt uneingeschränkt § 7 Abs. 6 TVöD-K die Grundsätze zur Mehrarbeit. Danach kommt die Zahlung von Überstundenzuschlägen nicht in Betracht, sofern Teilzeitbeschäftigte zwar ihre eigene vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreiten, jedoch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitkräften. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Stunden durch den Arbeitgeber angeordnet wurden.

Aufgrund der Wortgleichheit der Vorschriften in den Tarifverträgen TVöD-K, TVöD-V sowie TV-L ist das Urteil im öffentlichen Dienst unmittelbar anwendbar.

BAG, Urteil vom 15.10.2021 – 6 AZR 253/19

Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Der Arbeitgeber kann den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt dies dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substanziiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war.

Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen.

BAG, Urteil vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21

Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft Rufbereitschaft im Einzelfall als Arbeitszeit

Der EuGH hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine angeordnete Rufbereitschaft als Ruhezeit i.S.d. Richtlinie 2003/88/EG oder unter bestimmten Bedingungen als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist. Vergütungsrechtliche Fragestellungen wurden nicht geklärt.

Die Begriffe Ruhezeit oder Arbeitszeit schließen einander aus. Eine Rufbereitschaft ist nur dann in vollem Umfang Arbeitszeit, wenn die den Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen, seine Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, objektiv gesehen, ganz erheblich beeinträchtigen. Gibt es umgekehrt keine erheblichen Einschränkungen, ist nur die Zeit der tatsächlichen Arbeitsleistung als Arbeitszeit anzusehen, bei der übrigen Zeit handelt es sich um Ruhezeit.

Zur Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit dienen nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere folgende Kriterien: Anzahl und Dauer der Einsätze während des Rufbereitschaftsdienstes, ferner Reaktionszeit bis zur Arbeitsaufnahme.

EuGH, Urteil vom 19.03.2021 – C- 580/19; C-344/19

Stufenlaufzeit – einschlägige Berufserfahrung i.S.d. TV-L

Einschlägige Berufserfahrung i.S.v. § 16 Abs. 2 TV-L setzt voraus, dass der Beschäftigte aufgrund einer gleichwertigen Tätigkeit im früheren Arbeitsverhältnis nach der Einstellung seine neue Tätigkeit vollumfänglich ohne nennenswerte Einarbeitungszeit aufnehmen kann.

Das ist nach dem hinter dem Stufensystem des TV-L stehenden Leistungsgedanken der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war. Nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien versetzt die in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung den Beschäftigten nur dann in die Lage, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auszuüben, wenn die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckte und deshalb einschlägig ist.

Voraussetzung ist ferner, dass der Beschäftigte die Berufserfahrung in einer Tätigkeit erlangt hat, die in ihrer eingruppierungsrechtlichen Wertigkeit der Tätigkeit entspricht, die er nach seiner Einstellung auszuüben hat. Frühere Tätigkeiten, die nur eine niedrigere Eingruppierung als die bei der jetzt auszuübenden gerechtfertigt hätten, können das Merkmal der einschlägigen Berufserfahrung daher nicht erfüllen.

BAG, Urteil vom 18.02.2021 – 6 AZR 205/20

Beschäftigungszeit – Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten beim Jubiläumsgeld in Überleitungsfällen

Beschäftigungszeit ist nach § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Nach § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD sind die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten anzurechnen. Das gilt allerdings nur für Neueinstellungen nach dem 30. September 2005. Für übergeleitete Beschäftigte besteht mit § 14 TVÜ-VKA eine abschließende Regelung.

§ 14 Abs. 1 TVÜ-VKA sichert den unter Geltung des bisherigen Tarifrechts bis zum 30. September 2005 erworbenen Besitzstand. Für das Jubiläumsgeld nach § 23 Abs. 2 TVöD enthält § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA eine Spezialregelung zum Besitzstand. Aus der Aufzählung der bis zum 30. September 2005 zu berücksichtigenden Zeiten in § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA ergibt sich, dass andere Zeiten nicht anzurechnen sind. Durch die Übergangsregelung des § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA sollte sichergestellt werden, dass die unter dem bisherigen Tarifrecht für die sog. Jubiläumszeit anerkannten Zeiten erhalten bleiben. § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA ermöglicht, die bis zum 30. September 2005 erworbenen sog. Jubiläumszeiten so zu behandeln, als wären sie Beschäftigungszeit iSd. § 34 Abs. 3 TVöD. Geschützt und als Beschäftigungszeit iSv. § 34 Abs. 3 TVöD anzusehen sind deshalb nur die Zeiten, die nach Maßgabe des Tarifrechts, das im Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD für das Arbeitsverhältnis galt, als Dienst- oder Beschäftigungszeit für die Berechnung der sog. Jubiläumszeit anerkannt waren.

BAG, Urteil vom 24.02.2021 – 10 AZR 108/19

Beschäftigungszeit – Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber

Das BAG hat sich im Rahmen der Anerkennung von Vordienstzeiten i.S.d. § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD mit dem Begriff „Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber“ auseinandergesetzt. Ein Wechsel i.S. einer Ablösung oder Nachfolge bezieht sich nur auf das unmittelbar Vorausgegangene, nicht aber auf die noch weiter zurückliegende Vergangenheit. Bezugnahmeobjekt ist deshalb der Arbeitgeber des unmittelbar vorausgegangenen Arbeitsverhältnisses. Dem entspricht, dass § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD den vorherigen Arbeitgeber im Singular bezeichnen.

Ein mehrfacher Wechsel wird vom Wortlaut der Rechtsnorm nicht erfasst. Diese am Wortlaut vertretene Auslegung bedeutet, dass eine umfassende Anerkennung früherer Zeiten im öffentlichen Dienst aus den Vorschriften nicht abgeleitet werden kann.

BAG, Urteil vom 19.11.2020 – 6 AZR 417/19

Urlaubsabgeltungsanspruch – tarifliche Ausschlussfristen

Das BAG hat zum wiederholten Male entschieden, dass der Urlaubs-abgeltungsanspruch einer tariflichen Ausschlussfristenregelung unterliegt.

Unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ fallen alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb der Ausschlussfrist nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Abgeltung entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er wird grundsätzlich gleichzeitig fällig. Nach Ablauf der Auschlussfrist ist die Geltendmachung des Abgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

BAG, Urteil vom 07.07.2020 – 9 AZR 323/19

Altersteilzeit im Blockmodell – kein Urlaub für die Freistellungsphase

Bei einem Altersteilzeitverhältnisses im sog. Blockmodell besteht für die Freistellungsphase kein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub. Die gleichen Grundsätze gelten für den tarifvertraglichen Mehrurlaub, wenn die Vertragsparteien für die Berechnung des Urlaubsanspruchs während der Altersteilzeit keine von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Ausgehend von den Verteilung der Arbeitszeit ist in der Freistellungsphase bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nach den geltenden allgemeinen Berechnungsgrundsätzen (24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage) mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen. Für das Kalenderjahr des Wechsels von der Arbeits- in die Freistellungsphase ist der Erholungsurlaub nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht zu berechnen.

Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- zur Freistellungsphase im Verlauf des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht berechnet werden (BAG vom 19.03.2019 – 9 AZR 406/17).

BAG, Urteil vom 03.12.2019 – 9 AZR 33/19

Saisonarbeitsverhältnis – Beschäftigung während der Badesaison

Eine Arbeitsvertragsbedingung, wonach der Arbeitnehmer als Vollbeschäftigter jeweils für eine Saison von Anfang April bis Ende Oktober eines Kalenderjahres eingestellt wird, ist weder als Vereinbarung einer unbegrenzten Anzahl befristeter Saisonarbeitsverträge noch als Rahmenvertrag über den Abschluss befristeter Arbeitsverträge oder als Arbeitsvertrag für ein Jahr, verbunden mit der Zusage auf Abschluss entsprechender Arbeitsverträge in den Folgejahren, auszulegen.

Die Arbeitsvertragsparteien haben damit vielmehr vereinbart, dass der Arbeitnehmer auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages nur während der Saison in der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober eines jeden Jahres als vollbeschäftigter Arbeitnehmer beschäftigt wird.

BAG, Urteil vom 19.11.2019 – 7 AZR 582/17

Sachgrundlose Befristung – Vorbeschäftigung

Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, gelangt das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung regelmäßig nicht zur Anwendung.

BAG, Urteil vom 21.08.2019 – 7 AZR 452/17

Das BAG hatte zuvor mit Urteil vom 23.01.2019 – 7 AZR 733/16 im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entschieden, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig ist, wenn bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber bestanden hatte. Mit diesem Urteil wiederum hat das BAG seine Rechtsprechung, wonach die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, wenn die Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mehr als drei Jahre zurückliegt (BAG vom 21.09.2011 – 7 AZR 375/10), aufgegeben.